Ziras Geschenk
Ihre Fußabdrücke im Schnee, bei Odins Tor, waren nicht tief. Sie hatte gelernt ruhig zu bleiben und ihr Gewicht so zu verteilen, dass sie kaum Spuren hinterließ und fast unsichtbar war. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, hielt sich in den Schatten der Föhren und hatte ihr Schwert in Leder gewickelt, damit es nicht rasseln konnte. Zira war keine Schwertmeisterin der alten Schule – nur was Kraft und Ausdauer betraf. Sie machte nicht alles so, wie es sie ihr Meister gelehrt hatte. Der war eher für das Grobe gemacht gewesen und hielt gar nichts von Fähigkeiten, die ansonsten nur „diese meuchelnden Bastarde“, wie er sie nannte, beherrschten - er meinte Nachtschatten und Waldläufer damit. Doch manchmal war es gut, wenn der Feind nicht merkte, dass man sich nährte. Und genau diese Taktik war aus auch, die die junge Schwertmeisterin jetzt anwendete. Denn sie war auf der Pirsch und hatte schon seit Stunden einen Feind gesucht, an dem sie sich abreagieren konnte. Da kam ihr der Kobold gerade recht, der hinter dem Spähturm von Nottmoor Faste hockte und das tat, was Kobolde, in ihrer widerlich verschlagenen Art so taten. In diesem Fall schien er Pilze zu sammeln, dieser kleine Barbar. Zudem hatte er ungewöhnliche, grüne Kleider am Leib, verziert mit goldenen Glöckchen. Und diese kleinen, klingenden, Accessoires machen ein Monster, bei welchem man alles, aber keine Glöckchen erwartet, noch viel abscheulicher, unheimlicher und… ja, monströser.
„Na warte, du kleiner Mistkerl, gleich hast du deinen letzten Champion gepflückt“, dachte die Schwertmeisterin und ein Lächeln huschte über ihr angespanntes Gesicht. Sie musste bei Pilzen unweigerlich an den Animisten aus Innis Carthaig denken. Ein recht gutaussehender Kelte, der sie ohne viel Federlesens zu einem romantischen Souper eingeladen hatte, wo sich dann allerdings herausstellte, dass er der vielleicht schlechteste Koch Hibernias war. Doch vom Essen abgesehen hatte der Abend dennoch etwas magisches gehabt. Sie saßen draußen, mit einem guten Wein und waren in den Weiten der Nacht versunken. Die Sterne über ihnen funkelten wie Diamantensplitter und der Himmel wirkte so, als würde er sich über etwas freuen, doch den Grund kannte Zira nicht.
Sie schüttelte sich, um diese Gedanken zu vertreiben. Jetzt galt es einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht sentimental zu werden. Sie musste ihre Pflicht erfüllen und diesen kleinen Scheißer, der da im Schnee vor ihr saß, kalt machen. Nur so konnte man Ansehen und Ruhm gewinnen. Schließlich war sie ein Teil dieses endlosen Kriegs. Und der Krieg ist eine Bestie, die mit Blut gefüttert werden muss. Also kniff sie die Augen zusammen, um ihr Ziel zu mustern und Schwachstellen auszumachen. Zugegeben, dieser Kobold war eine einzige, kleine Schwachstelle. Wie er da saß. Wie er einen Pilz nach dem anderen abschnitt und in seinen Korb steckte. Wie er dabei vor sich hin brummte und die Glöckchen an seiner Mütze klingelten: ekelhaft. Zira packte ihr Schwert aus und rieb die Schneide zwischen Daumen und Zeigefinger, als sie sich konzentrierte.
Die Waffe wurde ein Teil ihres Arms. Sie spürte, wie das Blut in der Klinge pulstierte. Dann atmete sie tief ein, ließ die Kälte in ihre Lungen strömen, sie ganz und gar ausfüllen, sie zu Eis werden. Zira war nun ein Stück Schnee, ein Baum, ein Felsen. Sie konnte jeden Windhauch sehen und jedes Geräusch fühlen. Sie war zu einem schwarzen Engel geworden, einer Göttin des Todes. Es gab jetzt nur noch sie und den Kobold. Ihr verlängerter Arm aus Stahl glühte von einem inneren Feuer, das mit seinen Zungen, nach der der Seele des Kobolds griff. Dieser, von all den epischen Entwicklungen völlig unberührt gelassen, sammelte weiter seine Pilze und quiekte plötzlich hell auf, da er einen besonders großen Schneebovist gefunden hatte.
Zira stürmte aus ihrem Versteck, sprang hoch in die Luft, alle Muskeln zum Bersten gespannt. Ihre Klinge, nein, sie selbst, glitt durch die Luft, wie eine Ballerina, beim Tanz der Verdammung: edel und anmutig, schön und schrecklich zugleich. Summend fuhr die das Schwert durch den Körper. Und der Schneebovist war sauber in zwei Teile geschnitten.
Zira keuchte, sie schwitzte und ihr Kopf dröhnte. Das war ihr noch nie passiert. Sie hatte auf den Kopf des Kobolds gezielt, nicht auf den Pilz. War sie krank? War das ein Traum?
„Nein, du bist nicht krank, aber ich bin deinem Schwerthieb ausgewichen und habe ihn auf diesen Pilz gelenkt, ganz einfach“. Zira war zu verdattert, um etwas zu erwidern, sie glotzt nur den gespaltenen Pilz an, dann wieder den Rücken des kleinen blauen Männchens und ihr Gesichtsausdruck ließ sich, als nicht eben geistreich beschreiben.
„Was ist das nur für ein kleiner, blauer, abgebrochener Stift? Wie konnte er meinem Angriff entkommen. Ich war mir so sicher, ihn zu treffen. Ich spürte bereits sein Blut auf meiner Klinge...“, ihre Gedanken schlugen Purzelbäume und sie musste sich setzen.
„Ich bin ein Helfer vom Weihnachtstomte“, sagte der Kobold ruhig und drehte sich langsam um. „Das ist übrigens auch der Grund, warum ich deine Gedanken lesen kann und ich muss schon sagen: >kleiner, blauer, abgebrochener Stift<, ist nicht sehr nett“, dann steckte er eine Hand in die Tasche und zog etwas hervor, das Zira noch nie gesehen hatte. Es schien eine Zwiebel aus Gold zu sein. Der Kobold warf einen Blick darauf und steckte die Goldzwiebel dann wieder weg. „Das nennt sich Uhr, eine Erfindung aus der Zukunft, sie hilft mir meine ganzen Termine einzuhalten“, er seufzte „Der Fortschritt ist eine schwere Bürde… ich bin spät dran und muss mich beeilen, der Weihnachtstomte möchte seine Pilzsuppe haben.“ Die Schwertmeisterin sagte nichts und begnügte sich damit verdutzt zu starren. „Bevor ich gehe muss ich dir aber noch etwas geben“, sagte er verdrießlich. „Dabei hast du versucht mich hinterrücks in zwei Teile zu hacken. Ich finde das nicht gerecht. Aber was sagt der Weihnachtstomte immer?“, Zira setzte das verdutzte Starren fort und erwiderte nichts. „Er sagt: >beschenke alle Bewohner, aller drei Reiche, denn ihr Weg ist lang und die Nacht des Krieges dunkel, auf dass ihnen ein Licht der Hoffnung leuchte… blablabla<“. Er leierte den Satz herunter, wie ein ungeliebtes Gedicht in der Schule, überreichte Zira, die alles mit sich geschehen ließ und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war, ein kleines Päckchen und schniefte. „Mir schenkt nie jemand etwas. Dabei bin ich so bescheiden. Kekse wären super, wie damals. Früher stellte man uns oft etwas vor die Tür, doch heute, wo dieser unsägliche Krieg tobt, hat niemand mehr Zeit dafür. Aber so ist das eben. Damals bekam man Kekse und Milch, heute muss man froh sein, wenn man beim Pilzesammeln nicht ermordet wird“ und mit einem missmutigen Achselzucken verschwand der Kobold.
Zira saß noch eine ganze Weile hinter dem Spähturm, dann steckte sie ihr Schwert ein und kehrte nach Hause zurück.
Das Päckchen enthielt ein Rezept für einen Weihnachtspunsch, mit einem großen Beutel fremdartiger Gewürze. Und so lud sie Die Lettanten zu einem fröhlichen Weihnachtsessen ein. Sie lachten viel, tranken viel, sangen lustige Lieder, aßen Steckrüben und machten schmutzige Witze darüber, die nur der harte Kern verstand. Heute kämpfte niemand. Sie waren froh alle zusammen und so glücklich und befreundet zu sein. Und als Deli gerade eine lustige Anekdote mit ihrem Luchs erzählte und Snooky so laut lachen musste, dass sie fast vom Stuhl gefallen wäre, stahl sich Zira davon und stellte einen Teller mit ihren ganz speziellen Lurikeksen auf die Fußmatte. Als sie wenig später nachschaute, war der Teller leer und aus den Schatten hinter dem Haus drang Knuspern und ein glückseliges Kichern. Zira sah zu den Sternen empor. Sie glitzerten wie Diamantsplitter und der Himmel schien sich über etwas zu freuen.
Doch dieses Mal kannte Zira den Grund und lächelte.
Ihre Fußabdrücke im Schnee, bei Odins Tor, waren nicht tief. Sie hatte gelernt ruhig zu bleiben und ihr Gewicht so zu verteilen, dass sie kaum Spuren hinterließ und fast unsichtbar war. Sie setzte einen Fuß vor den anderen, hielt sich in den Schatten der Föhren und hatte ihr Schwert in Leder gewickelt, damit es nicht rasseln konnte. Zira war keine Schwertmeisterin der alten Schule – nur was Kraft und Ausdauer betraf. Sie machte nicht alles so, wie es sie ihr Meister gelehrt hatte. Der war eher für das Grobe gemacht gewesen und hielt gar nichts von Fähigkeiten, die ansonsten nur „diese meuchelnden Bastarde“, wie er sie nannte, beherrschten - er meinte Nachtschatten und Waldläufer damit. Doch manchmal war es gut, wenn der Feind nicht merkte, dass man sich nährte. Und genau diese Taktik war aus auch, die die junge Schwertmeisterin jetzt anwendete. Denn sie war auf der Pirsch und hatte schon seit Stunden einen Feind gesucht, an dem sie sich abreagieren konnte. Da kam ihr der Kobold gerade recht, der hinter dem Spähturm von Nottmoor Faste hockte und das tat, was Kobolde, in ihrer widerlich verschlagenen Art so taten. In diesem Fall schien er Pilze zu sammeln, dieser kleine Barbar. Zudem hatte er ungewöhnliche, grüne Kleider am Leib, verziert mit goldenen Glöckchen. Und diese kleinen, klingenden, Accessoires machen ein Monster, bei welchem man alles, aber keine Glöckchen erwartet, noch viel abscheulicher, unheimlicher und… ja, monströser.
„Na warte, du kleiner Mistkerl, gleich hast du deinen letzten Champion gepflückt“, dachte die Schwertmeisterin und ein Lächeln huschte über ihr angespanntes Gesicht. Sie musste bei Pilzen unweigerlich an den Animisten aus Innis Carthaig denken. Ein recht gutaussehender Kelte, der sie ohne viel Federlesens zu einem romantischen Souper eingeladen hatte, wo sich dann allerdings herausstellte, dass er der vielleicht schlechteste Koch Hibernias war. Doch vom Essen abgesehen hatte der Abend dennoch etwas magisches gehabt. Sie saßen draußen, mit einem guten Wein und waren in den Weiten der Nacht versunken. Die Sterne über ihnen funkelten wie Diamantensplitter und der Himmel wirkte so, als würde er sich über etwas freuen, doch den Grund kannte Zira nicht.
Sie schüttelte sich, um diese Gedanken zu vertreiben. Jetzt galt es einen kühlen Kopf zu bewahren und nicht sentimental zu werden. Sie musste ihre Pflicht erfüllen und diesen kleinen Scheißer, der da im Schnee vor ihr saß, kalt machen. Nur so konnte man Ansehen und Ruhm gewinnen. Schließlich war sie ein Teil dieses endlosen Kriegs. Und der Krieg ist eine Bestie, die mit Blut gefüttert werden muss. Also kniff sie die Augen zusammen, um ihr Ziel zu mustern und Schwachstellen auszumachen. Zugegeben, dieser Kobold war eine einzige, kleine Schwachstelle. Wie er da saß. Wie er einen Pilz nach dem anderen abschnitt und in seinen Korb steckte. Wie er dabei vor sich hin brummte und die Glöckchen an seiner Mütze klingelten: ekelhaft. Zira packte ihr Schwert aus und rieb die Schneide zwischen Daumen und Zeigefinger, als sie sich konzentrierte.
Die Waffe wurde ein Teil ihres Arms. Sie spürte, wie das Blut in der Klinge pulstierte. Dann atmete sie tief ein, ließ die Kälte in ihre Lungen strömen, sie ganz und gar ausfüllen, sie zu Eis werden. Zira war nun ein Stück Schnee, ein Baum, ein Felsen. Sie konnte jeden Windhauch sehen und jedes Geräusch fühlen. Sie war zu einem schwarzen Engel geworden, einer Göttin des Todes. Es gab jetzt nur noch sie und den Kobold. Ihr verlängerter Arm aus Stahl glühte von einem inneren Feuer, das mit seinen Zungen, nach der der Seele des Kobolds griff. Dieser, von all den epischen Entwicklungen völlig unberührt gelassen, sammelte weiter seine Pilze und quiekte plötzlich hell auf, da er einen besonders großen Schneebovist gefunden hatte.
Zira stürmte aus ihrem Versteck, sprang hoch in die Luft, alle Muskeln zum Bersten gespannt. Ihre Klinge, nein, sie selbst, glitt durch die Luft, wie eine Ballerina, beim Tanz der Verdammung: edel und anmutig, schön und schrecklich zugleich. Summend fuhr die das Schwert durch den Körper. Und der Schneebovist war sauber in zwei Teile geschnitten.
Zira keuchte, sie schwitzte und ihr Kopf dröhnte. Das war ihr noch nie passiert. Sie hatte auf den Kopf des Kobolds gezielt, nicht auf den Pilz. War sie krank? War das ein Traum?
„Nein, du bist nicht krank, aber ich bin deinem Schwerthieb ausgewichen und habe ihn auf diesen Pilz gelenkt, ganz einfach“. Zira war zu verdattert, um etwas zu erwidern, sie glotzt nur den gespaltenen Pilz an, dann wieder den Rücken des kleinen blauen Männchens und ihr Gesichtsausdruck ließ sich, als nicht eben geistreich beschreiben.
„Was ist das nur für ein kleiner, blauer, abgebrochener Stift? Wie konnte er meinem Angriff entkommen. Ich war mir so sicher, ihn zu treffen. Ich spürte bereits sein Blut auf meiner Klinge...“, ihre Gedanken schlugen Purzelbäume und sie musste sich setzen.
„Ich bin ein Helfer vom Weihnachtstomte“, sagte der Kobold ruhig und drehte sich langsam um. „Das ist übrigens auch der Grund, warum ich deine Gedanken lesen kann und ich muss schon sagen: >kleiner, blauer, abgebrochener Stift<, ist nicht sehr nett“, dann steckte er eine Hand in die Tasche und zog etwas hervor, das Zira noch nie gesehen hatte. Es schien eine Zwiebel aus Gold zu sein. Der Kobold warf einen Blick darauf und steckte die Goldzwiebel dann wieder weg. „Das nennt sich Uhr, eine Erfindung aus der Zukunft, sie hilft mir meine ganzen Termine einzuhalten“, er seufzte „Der Fortschritt ist eine schwere Bürde… ich bin spät dran und muss mich beeilen, der Weihnachtstomte möchte seine Pilzsuppe haben.“ Die Schwertmeisterin sagte nichts und begnügte sich damit verdutzt zu starren. „Bevor ich gehe muss ich dir aber noch etwas geben“, sagte er verdrießlich. „Dabei hast du versucht mich hinterrücks in zwei Teile zu hacken. Ich finde das nicht gerecht. Aber was sagt der Weihnachtstomte immer?“, Zira setzte das verdutzte Starren fort und erwiderte nichts. „Er sagt: >beschenke alle Bewohner, aller drei Reiche, denn ihr Weg ist lang und die Nacht des Krieges dunkel, auf dass ihnen ein Licht der Hoffnung leuchte… blablabla<“. Er leierte den Satz herunter, wie ein ungeliebtes Gedicht in der Schule, überreichte Zira, die alles mit sich geschehen ließ und zu keinem klaren Gedanken mehr fähig war, ein kleines Päckchen und schniefte. „Mir schenkt nie jemand etwas. Dabei bin ich so bescheiden. Kekse wären super, wie damals. Früher stellte man uns oft etwas vor die Tür, doch heute, wo dieser unsägliche Krieg tobt, hat niemand mehr Zeit dafür. Aber so ist das eben. Damals bekam man Kekse und Milch, heute muss man froh sein, wenn man beim Pilzesammeln nicht ermordet wird“ und mit einem missmutigen Achselzucken verschwand der Kobold.
Zira saß noch eine ganze Weile hinter dem Spähturm, dann steckte sie ihr Schwert ein und kehrte nach Hause zurück.
Das Päckchen enthielt ein Rezept für einen Weihnachtspunsch, mit einem großen Beutel fremdartiger Gewürze. Und so lud sie Die Lettanten zu einem fröhlichen Weihnachtsessen ein. Sie lachten viel, tranken viel, sangen lustige Lieder, aßen Steckrüben und machten schmutzige Witze darüber, die nur der harte Kern verstand. Heute kämpfte niemand. Sie waren froh alle zusammen und so glücklich und befreundet zu sein. Und als Deli gerade eine lustige Anekdote mit ihrem Luchs erzählte und Snooky so laut lachen musste, dass sie fast vom Stuhl gefallen wäre, stahl sich Zira davon und stellte einen Teller mit ihren ganz speziellen Lurikeksen auf die Fußmatte. Als sie wenig später nachschaute, war der Teller leer und aus den Schatten hinter dem Haus drang Knuspern und ein glückseliges Kichern. Zira sah zu den Sternen empor. Sie glitzerten wie Diamantsplitter und der Himmel schien sich über etwas zu freuen.
Doch dieses Mal kannte Zira den Grund und lächelte.