[Geschichte] Die Suche nach der Hühneraugencreme

Started 30 Jan 2021
by Gloti
in Deutsch
Die Wolken schlängelten, wanden und kräuselten sich, wie graue Schlangen über den düsteren Himmel. Vielleicht sahen sie auch wie große, verschimmelte Würste aus, aber dieses Bild ist nicht halb so schön, wie das der Schlangen, weshalb wir es gleich wieder vergessen wollen. Die Lettanten hatten sich im Burghof von Dun Crauchon versammelt, stumm wie Statuen und düster dreinblickend, wie Mitglieder der Lettanten, die im Burghof von Dun Crauchon stehen. Es war neblig und ein leichter Nieselregen hing über den Zinnen, die wie ungepflegte Zähne, eines ungepflegten Trolls… aber ich verliere mich in Metaphern, die zu nichts führen.

Die Lettanten standen also herum und langweilten sich. Finyan hatte sie hierher bestellt, vor fast zwei Stunden und jeder war bereits am Treffpunkt, nur nicht Finyan. Es gab eine wichtige Sache, die er mit ihnen besprechen wollte, so sagte er jedenfalls. Und jetzt saßen sie tatenlos herum, es regnete und stürmte und war kalt. Liri jammerte die ganze Zeit herum, weil er in Darkness Falls ein Vermögen hätten machen können, um irgendeinen Titel ergattern und versuchte alle paar Minuten, die Freunde dazu zu überreden, mit ihm dahin zurückzukehren. Hirschkäfer hatte zu viel Cola getrunken und rannte die ganze Zeit hin und her, was Pioti fast um den Verstand brachte. Zu allem Überfluss hatten die Burgwächter einen ungeheuer schlechten Humor und hauten einen Witz nach dem anderen heraus. „Lady Sharisa, dürfte ich Euch wohl einen Lacher präsentieren?“, fragte ein junger Bogenschütze keck. „Nein!“, antwortete Sharisa unwillkürlich. "Kommt ein halber Firbolg zum Druiden und sagt: "Hilfe! Was soll ich tun? Ich falle die ganze Zeit um!" Ein Schwertmeister musste so laut lachen, dass ihm seine Waffe aus der Hand fiel. Sharisas linkte Augenbraue zuckte leicht. Was würde sie mit Finyan anstellen, wenn er endlich auftauchen würde? Ihre Hand streichelte zärtlich ihren Zauberstab und ein sehnsüchtiges Lächeln erschien auf ihren Lippen und verlieh ihr das Aussehen eines sadistischen Henkers, der gerade erfahren hat, dass er heute Überstunden machen darf.

„Da seid ihr ja endlich ihr Pfeifen!“, hallte eine Stimme vom Burgtor her. „Seht ja aus, als wärt ihr in den Brunnen gefallen. Warum steht ihr auch stundenlang im Regen? Ist das euer neues Hobby?“ Alle sahen auf und da stand Finyan und lehnte sich grinsend an das Burgtor. Eisige Stille schloss sich an und die Blicke der sechs Freunde, trafen den jungen Barden und durchsiebten ihn förmlich. „Wo warst du?“, fragte Quinar so kalt, wie sie sich fühlte und das war wirklich außerordentlich kalt. „Ruhig Freunde, ich wollte euch nicht…“, „Klappe!“, schnauzte Liri. „Ich möchte nicht hören, wie leid es dir tut, ich will wissen, warum wir hier sind. Ich hoffe die Erklärung gefällt mir, denn ich bin extra aus Darkness Falls hergekommen. Da entgeht mir ein Vermögen! Vom Titel gar nicht zu reden. Also, raus mit der Sprache, was ist los?“
Finyan wurde ernst und nickte. „Ich werde euch die Geschichte erzählen“, sagte er dann. „Als ich neulich auf dem Marktplatz in Tir na Nog war, hörte ich einen alten Mann weinen. Er weinte Liri! Also ging ich zu ihm und fragte, warum er so traurig sei. Er konnte sich gar nicht einkriegen, doch schließlich vertraute er mir unter Tränen an, dass ein garstiger Zauberer Namens Nero der Erste, seine Hühneraugencreme gestohlen habe. Sie sei noch fast halb voll gewesen. Die kostbare Creme zurück zu gewinnen sei wohl nicht möglich, schluchzte der arme Kerl, aber er wolle wenigstens Rache üben. Natürlich sicherte ich ihm sofort meine Hilfe zu, man muss die Alten schließlich ehren.“

Alle sahen Finyan entgeistert an, alle außer Hirschkäfer, der gerade von einer Zinne zur nächsten hüpfte. „Willst du damit sagen“, raunte Beli unheilschwanger, „dass wir in die Krieg ziehen sollen, um unsägliches Leid und Verderben anzurichten. Unschuldige zu meucheln, Leben zu beenden, zu rauben, zu foltern, zu morden und brandschatzend, wie mordlustige Irre durch die Gegend zu ziehen, nur weil einem alten Knacker die Warzensalbe geklaut wurde?!“
„Sturzschaden!“, kam ein Schrei aus dem Hintergrund.
„Außer dass es sich um Hühneraugencreme handelt, hast du es erfasst“, sagte Finyan.

„Alles klar, hab ich‘s mir doch gedacht“, sagte Beli. „Worauf warten wir noch?!“, schrie sie dann und die anderen stimmten ihr freudig zu. Das war ein Plan, genau nach ihrem Geschmack!

Beli und Liri verzauberten nun alle Mitglieder ihrer Gruppe und bereiteten sie gleichsam auf ihren neuen Feldzug vor. Denn sie wussten genau: wer in den wilden Grenzgebieten überleben will, braucht die lebenspendende Kraft der Druiden, genauso wie ein Molch, das braucht, was Molche brauchen! Also Molchsachen eben. Dinge, die für Molche, zum… Molchen wichtig sind... Ach, vergesst das Beispiel. Druiden sind wichtig, aus, Ende. Und so sprachen die beiden ihre verstärkende Magie, nein, sie schienen sie gleichsam zu singen. Und jede Silbe ihres Gesanges, war Balsam für die Seele ihrer Freunde – oder wäre sie gewesen, wenn sie nicht so schrecklich falsch gesungen hätten. Eine wundersame Zeile erhöhte die Geschicklichkeit, eine dahingehauchte Strophe ließ Muskeln größer werden und ein paar fröhliche Worte machten alle intelligenter. Dann folgten noch weitere Zauber, inklusive einer Deomagie, zur Verbesserung des Achselgeruchs, ein Bonus auf das schnelle Öffnen von Bierflaschen und natürlich der obligatorische Baldrianbuff, ohne den sich jeder, der mit den Lettanten unterwegs ist, nach spätesten 10 Minuten einen Fuß abkauen würde.
Am Schluss beschworen beide ihre Tierchen. Liri einen Wolf, der ziemlich dämlich aus der Wäsche guckte und Beli einen Luchs, der sich freudig an ihrem Bein rieb. Luchse finden sowas ganz toll, warum weiß kein Mensch. Er schupperte sich, er schmiegte sich und er kuschelte, bis Beli ihn genervt verschwinden ließ und einen Baum beschwor, der zwar komisch knarrte, sich aber ansonsten still verhielt.

Dann waren alle Vorbereitungen getroffen und die Freunde beschlossen, in ihrem krankhaften Übermut, Albion auf dem Landweg zu überfallen. „Sagt mal“, fragte Liri, als sie gerade Ellan Vanin überquerten, „Sollen wir nicht lieber nach Darkness Falls gehen?“, aber niemand antwortete ihm und er lies traurig den Kopf hängen. Doch seine Niedergeschlagenheit verging ihm schon bald, als Sie am Steg von Cear Benowyc einen Inconnu fangen konnten. Oh, wie er zappelte und quiekte und dabei hatten sie die peinliche Befragung nicht einmal begonnen. Sie erfuhren nicht viel von ihm, bevor Pioti ihn kaputt machte. Doch die Informationen waren für ihre abgestumpften Seelen mehr als ausreichend. Sie lauteten in etwa so: „Erobert doch von mir aus alle möglichen Türme, vielleicht findet ihr ihn ja dann… büräxh…“
„Könnte er das vielleicht sarkastisch gemeint haben?“, fragte Beli nachdenklich. „Ach was!“, riefen alle. „Wenn man erstmal anfängt, alles zu hinterfragen, kommt man im Leben zu gar nichts mehr!“, brüllte Sharisa und alle stürmten los und mussten nach einer halben Stunde umkehren, weil sie sich verstürmt hatten.
Viele Türme wurden im Laufe des Abends erobert und auch wenn der gemeine Zauberer nicht auftauchte und von der Hühneraugencreme keine Spur zu entdecken war, so konnten die Freunde eine Menge anderer Albs töten. Als sich der Ruf verbreitete, dass die Lettanten unterwegs seien, um die Ehre eines fußkranken Rentners wiederherzustellen, war die Aufregung im Lande Arthurs groß. Und alle Feinde flohen, als sie nur die Namen der unerschrockenen Helden vernahmen. Doch schließlich wurde es den Rittern der Tafelrunde zu rund, und so sammelte Polemo seine Heerscharen und Zog wider die Aggressoren Hibernias – ich meine, die Lettanten. „Gleich ist das Tor offen!“, schrie Beli. Die Sturmramme krachte, das Holz des Turmtores splitterte und kreischte. „Sie kommen!“, schrie da Liieel, die sich unlängst der Gruppe angeschlossen hatte, um ihre Freunde zu unterstützen. Und richtig! Polemo mit einem gewaltigen Heer von Rittern, Zauberern und Hexen, Ordensbrüdern und Theurgen und einem Kabba, wälzte sich, einem unaufhaltsamen Lavastrome gleich, auf sie sie.

Die Lettanten flohen aber nicht, sie bissen die Zähne zusammen und stürzten sich heulend ins Gefecht. Ich könnte euch vieles von diesem epischen Kampf berichten, Heldentaten schildern, die eure Augen mit Tränen füllen würden. Ich könnte von Liieel berichten, die schließlich vor Polemo trat, blutverschmiert und ihm ihre Unbeugsamkeit ins Gesicht brüllte. All das könnte ich erzählen – aber ich bin ehrlich. Liieel hatte LD bevor es richtig losging und die anderen starben schneller, als eine Fliege in einer Supernova. Nur Liri schaffte es tatsächlich noch „Warum gehen wir nicht nach Darkness Falls???“, zu /yellen, ehe sein lebloser Körper die harte Erde liebkoste.

Natürlich endete der Tag nicht an dieser Stelle. Es wurden noch weitere große Dinge vollbracht, Beli trank noch mindestens ein Bier, Liieel sah etwas in einer Ramme zappeln und Liri trieb alle mit seiner DF-Sehnsucht in den Wahnsinn. Die Hühneraugencreme hatten alle vergessen, aber wer mit den Lettanten durch die Grenzlande zieht, der hat andere Dinge im Kopf – zum Beispiel einen Pfeil.

Ende
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